Die „Fiesta de San Fermìn“ in Pamplona
Wir planten unsere Reise nach Spanien mehrere Jahre im voraus. Zunächst konnten wir uns nicht einigen, ob wir wirklich Zeugen eines so ungeheuer martialisch anmutenden Spektakels werden wollten, zumal der Termin der Fiesta (6.Juli bis 14.Juli) eigentlich in einem Zeitraum liegt, den wir nicht so gerne auf Reisen verbringen. Schließlich war es soweit. Wir erreichten Spaniens autonome Provinz Navarra und ihre Hauptstadt Pamplona. Die Stadt liegt an einem seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bis heute bekannten Pilgerweg, dem Jakobsweg, der zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela führt.
Die „Fiesta de San Fermin“ trägt ihren Namen nach dem Schutzheiligen der Stadt, dem Heiligen Firmin dem Älteren von Amiens, der im 3. Jahrhundert nach Christus den Märtyrertod als Missionar starb.
Ernest Hemingway setzte dem Stiertreiben durch die Altstadt ein literarisches Denkmal: durch sein Werk „Fiesta“ wurde Pamplona weltberühmt. Die „Fiesta“, das Festival, tief wurzelnd in der mittelalterlichen Tradition der sommerlichen Märkte und Feste, und zum ersten Mal urkundlich erwähnt im Jahre 1324, beginnt am Morgen des 6. Juli mit dem „chupinazo“, der Eröffnung vor dem Rathaus. Dort drängen wir uns mit Abertausenden von Festgästen, um dem Startschuss beizuwohnen, der durch die Zündung einer kleinen Rakete erfolgen soll. Einer der örtlichen Honoratioren wird in jedem Jahr dazu bestimmt, die Rakete zu zünden und damit die Festwoche offiziell zu eröffnen.
Die Stimmung ist einem brodelnden Dampfkochtopf vergleichbar – die Sonne brennt bereits heiß vom Himmel und vor unseren Augen verschwimmen die roten Halstücher, von den Gästen des Festival als Teil der baskischen Kleidung getragen, zu einem glutfarbigen Meer. Einen Tag später, am 7. Juli, findet die Prozession statt, bei der die große Statue des San Fermín feierlich zur Kirche San Lorenzo getragen wird. Dort wird anschließend in der Kapelle die Messe gelesen. Für viele Bürger ist dieses Ereignis eines der wichtigsten der Fiesta.
Die Stiere und die Menschen
Täglich um 8.00 Uhr morgens während der Fiesta beginnt der Tag mit dem „encierro“, dem Eintreiben von 6 Kampfstieren in die Arena über eine Strecke von exakt 825m, die durch die Altstadt von Pamplona führt. Mitgetrieben werden einige Ochsen, mit Kuhglocken versehen, die beruhigend auf die hochnervösen Kampfstiere wirken sollen. Sobald die Startraketen gezündet sind (die erste wird gezündet, sobald die Stiere den Korral verlassen, die zweite, sobald der letzte Stier auf die Strecke gestürmt ist), werden die Stiere auf den Kurs geschickt und in Richtung Arena getrieben. Die Teilnehmer, immer sind darunter auch ausländische Touristen, versuchen, eine gewisse Wegstrecke neben einem Stier herzulaufen. Diese Läufer, genannt „mozo“, tragen ein weißes Hemd und eine weiße Hose, ein rotes Halstuch und eine rote Schärpe. Das Rennen ist gefährlich. Seit 1924 wurden 15 Teilnehmer getötet und mehr als 200 Läufer schwer verletzt. Die Strecke durch die Straßen der Altstadt ist sehr eng und die Zahl der Zuschauer nimmt in jedem Jahr zu. Man sagt, dass jeder, der ein Zusammentreffen mit einem Stier überlebt, fortan unter dem Schutz von San Fermín steht. Das Rennen endet in der Arena, der „Plaza de Torros“ – dort warten die Stiere darauf, an der „Corrida“ am Nachmittag teilzunehmen, die in der Regel mit ihrem Tod endet. Sobald sich alle Stiere in der Arena befinden, wird eine dritte Rakete gezündet, die vierte kurz darauf tut kund, dass alle Stiere in ihren Verschlägen sind und das Rennen für diesen Tag beendet ist.
Wir sind beeindruckt. Die ersten beiden Tage haben ihre Spuren hinterlassen. In uns ist eine merkwürdige Mischung aus Faszination und Abscheu, eine Art Vibration, die die ganze Stadt erfasst hat und uns an innere Grenzen führt.
Der Jahrmarkt in der Stadt
Während der Feiertage ist die Stadt wie in einem fiebrigen Karnevalstaumel gefangen. In den Nächten kommt niemand zur Ruhe. Die „comparsa de gigantes“ zieht durch die Straßen, übergroße Puppen, begleitet von Musikgruppen. Die Straßen sind voller siegestrunkener Gäste und viele Touristen finden sich nach einer unfreiwilligen Übernachtung im Park wieder.
Nach 9 Tagen findet das archaisch anmutende Volksfest um Mitternacht am 14. Juli sein Ende. Ein letztes Mal versammeln sich die Teilnehmer und Gäste auf der „Plaza Consistorial“ und singen gemeinsam das „Pobre de Mí“ – ein magischer, von Kerzenlicht erhellter Abschied von einem mittelalterlichen Spektakel der Neuzeit. Wir sind uns einig. Man muss es einfach gesehen haben, man muss dies fiebrige Vibrieren angesichts einer Mauer dampfender und donnernd heranstürmender Stiere erlebt haben. Man muss diese merkwürdige, fremdartig anmutende Faszination in den Augen der Menschen gesehen haben, auch wenn – und gerade weil ! – die Wurzeln dieser Tradition für uns unverständlich bleiben werden.